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Dienstag, 2. Januar 2007

Schnelles Lesen und Belletristik

Gegen das schnellere Lesen von Romanen, Novellen und anderen belletristischen Texten wird immer wieder eingewandt, dass man dann die künstlerische Setzung der Worte und die Schönheit des Satzbaues nicht mehr wahrnehmen könne.

Wer sich stets auf die Bausteine konzentriert, wird nicht die Kathedrale zu sehen bekommen. Wer aber vom Gesamteindruck des Bauwerks zurückkehrt zum Detail des einzelnen Steins, hat ein ganz anderes Gefühl für dessen individuelle Bedeutung.

Wer sich gern und oft in der Reichhaltigkeit des Gesamteindrucks verliert (das entspricht dem Speed-Reading), wird bei der Rückkehr zum Detail zusätzlich die vielen Muster, die diese Einzelheiten bilden, erkennen und genießen lernen. Dies ist besonders reizvoll bei einem rhythmischen Wechsel zwischen Schnell und Langsam. Beim Lesen heißt dieser immer wiederkehrende Wechsel Oszillieren.

Menschen, die lediglich ihre Augen über die Zeilen hetzen, werden in der Tat den eingangs erwähnten Verlust an künstlerischer Wahrnehmung einbüßen. Und zusätzlich ist die Merkfähigkeit erfahrungsgemäß eingeschränkt.

Wer aber durch den häufigen Geschwindigkeits- und Perspektivewechsel das Gehirn zum Mitmachen einschaltet, hat alles drei: das ganze Bauwerk, das Element des Baus - zB Torbogen - und die Individualität des einzelnen Steins. Und als Bonus ein effektiveres Gedächtnis.

Nur wer schnell sein kann, ist in der Lage, Langsamkeit zu genießen. Wer immer langsam ist, wird schon bei geringen Beschleunigungen von der angestiegenen Menge an Details erschlagen und - übertragen auf unsere Text-Welt - von Informationsflut schwadronieren.

Für unser Thema bedeutet das:
Nicht den Augen Beine machen, sondern lernen, strategisch schneller zu lesen.

Klaus Marwitz

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