Lesen ist nicht wie Musikhören, sondern wie Musizieren. Dieser Satz stammt von Martin Walser (18.3.2007 in 3sat »Sternstunde Philosophie«).
Die meisten Menschen lesen deshalb so langsam, weil sie bewusst oder unbewusst ihrer inneren Stimme lauschen, die ihnen vorliest (subvokalisiert). Das ist eine eher passive Angelegenheit, die nur zu oft das unterbeschäftigte Gehirn zu Extra-Spaziergängen verleitet, die nicht zwingend etwas mit dem »sich selbst vorgelesenen« Text zu tun haben.
Besonders clevere Zeitgenossen kommen dann auf die Idee, im Zeitalter der Beschleunigung eben alles superschnell durchzulesen zu wollen. Eine genauso gute Idee ist es, auch in unwegsamem Gelände einfach schneller fahren zu wollen. Das mag schlau sein, aber gewiss nicht klug.
Um auf Walser zurückzukommen: Musizieren heißt nicht, permanent auf der Blockflöte Hänschenklein zu spielen. Je nach Musikstück sind unterschiedliche Instrumente einzusetzen und auch sonst gibt es viele Möglichkeiten, das Musikstück so zu spielen, dass es eine bestimmte geplante Wirkung erzielt.
Und Lesen heißt nicht immer langsam analytisch Lesen, Wort für Wort, Zeile für Zeile, weil es immer – glaubt man – auf große Genauigkeit ankommt. Es gibt aber auch das bis zu 10mal schnellere visuelle Lesen, auch Streifenlesen genannt, das auf die innere Stimme wegen der hohen Blickgeschwindigkeit verzichtet, und »grobmaschiger« wirkt, und das noch erheblich schnellere Seitenlesen, auch Flächenlesen genannt. Hier ist es erforderlich, dem Gehirn vorher bestimmte Aufgaben gegeben zu haben. Und weitere Arten wie Navigations- und Orientierungslesen. Alles zu seiner Zeit.
Da wir für jede Form der Textbearbeitung nur das Verb »Lesen« (simples Wegwerfen zählt nicht zu den salonfähigen Fertigkeiten in Sachen Textbearbeitung) haben, heißt es leicht »Wenn ich jetzt so schnell »lesen« muss, bekomme ich denn dann alles mit?« Antwort: »Nicht alles, aber alles Wichtige.« Eine Katastrophe für die Perfektionisten, die natürlich immer alles richtig wissen wollen und für die Entscheidungsschwachen, die sich schwer entschließen können, was eigentlich wichtig ist.
Daher ist wichtig, das Selbstmanagement weiterzuentwickeln, und Motivation und Durchhaltekraft neu aufzustellen.
Klaus C. Marwitz
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